In welchen Bereichen kann die Wertschöpfungskette des Gartenbausektors nachhaltiger werden?
Fangen wir bei der Produktion an. Hierzu gehören Gartenbaubetriebe, die Blumen und Beetpflanzen anbauen, sowie Baumschulen, die Zierbäume produzieren. Der erste Punkt ist der Transport. Je regionaler die Produkte, desto kürzer die Wege, desto geringer der CO2-Ausstoss und desto weniger Verpackungsmüll. Zurzeit stammen die Pflanzen überwiegend aus Holland, Spanien, Deutschland oder Belgien. Dabei müssen weite Wege zurückgelegt werden. Hier spielt der wirtschaftliche Aspekt eine Rolle: Unsere heimische Gartenbauproduktion ist ein landwirtschaftliches «Stiefkind» und leidet darunter, dass die Importe keinerlei Beschränkungen unterliegen. Das bereitet uns Sorge, denn es geht um unsere schwächste «nachhaltige» Säule und wirkt sich auf die Versorgungswege aus.
Wie schonen die verbliebenen Schweizer Produzenten die Umwelt?
Hauptsächlich durch die Reduzierung von Chemikalien, deren Einsatz wirklich problematisch und immer mehr verpönt ist. Es gibt hier mehrere Alternativen. Eine davon ist die Wiederverwendung des Giesswassers bei Pflanzen, die im Topf angebaut werden. So lässt sich gleichzeitig Dünger sparen. Ausserdem werden Eintragungen in den Boden vermieden und der Wasserverbrauch sinkt.
Wie funktioniert das genau?
Es werden Matten auf dem Boden verlegt und Gefälle geschaffen. Drainagevorrichtungen leiten das Wasser zu Zisternen. Bei Topfpflanzen, die auf Tischen angebaut werden, wird das überschüssige Giesswasser über Rohrsysteme gesammelt, anschliessend gefiltert, mit Dünger angereichert und wiederverwendet.
Was wird noch unternommen?
Bei einer anderen Methode wird der Gehalt an Stoffen, die in die Erde und in den Boden eingetragen werden, in kürzeren Abständen analysiert, um das übermässige Ausbringen von Dünger zu vermeiden. Denn mit diesem Vorwurf werden die Gärtner seit langem konfrontiert. Vor allem lässt sich der Dünger dadurch gezielter einsetzen. Die Düngergabe erfolgt nicht mehr einfach saisonal, sondern nur, wenn ein Mangel im Boden vorliegt. Und auch eine dritte Methode wird immer beliebter. Dabei werden Pflanzenschutzmittel durch mechanische oder thermische Verfahren ersetzt. Die Unkrautbekämpfung ist für die Baumschulisten ein notwendiges Übel. Statt es mit Glyphosat oder ähnlichem einzudämmen, kommen immer häufiger Maschinen zum Einsatz, die das Unkraut zerkleinern oder verbrennen. Auch die Zahl derer, die auf integrierten bzw. biologischen Pflanzenschutz setzen, wächst stetig. Hierbei werden unerwünschte Insekten mithilfe von Fressfeinden abgewehrt. Eine weitere Massnahme ist die Bevorzugung heimischer Pflanzen, die weniger anfällig für Krankheiten oder Schädlingsbefall sind.
Bei welchen anderen Aspekten ist Ihre Branche darüber hinaus besonders umweltfreundlich?
Die Verringerung des Einsatzes fossiler Brennstoffe ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Einige Betriebe mit Gewächshäusern versuchen, so wenig wie möglich zu heizen. Das gelingt durch eine spezielle Dämmung oder eine intelligente Steuerung der Anlagen. Zudem sind einige bestrebt, erneuerbare Energien einzusetzen. Sie stellen auf Holzheizungen um, informieren sich über Erdwärme oder handeln sogar Verträge mit Rechenzentren aus, um deren Abwärme zu nutzen. Diese Methoden werden seitens der Produzenten organisch für mehr Nachhaltigkeit in der Branche eingesetzt.
Wie sieht es bei den Landschaftsbauern am anderen Ende der Wertschöpfungskette aus?
Sie machen über 80 % unserer Mitglieder aus. Auf Initiative der jungen Generation ist bei ihnen die Bereitschaft zu erkennen, verstärkt auf Nachhaltigkeit zu setzen. Um einen nachhaltigen Garten im engeren Sinn anzulegen, müsste die Wahl auf heimische Pflanzen fallen. Ausserdem sollten Nistplätze für Vögel, Trockensteinmauern für Reptilien und Wasserflächen, wie etwa Teiche, für Insekten vorgesehen werden. Auf Sträucher wie Thujen, durch die kaum Licht fällt, sollte verzichtet werden.
Welche Hindernisse stehen diesen vorbildlichen Verfahren entgegen?
Bei der Produktion sind Verfahren wie etwa der integrierte Pflanzenschutz besser für Monokulturen geeignet. Derzeit haben wir aber in der Regel Mischkulturen. Zudem hat Nachhaltigkeit ihren Preis. Wenn es wieder mehr regionalen Gartenbau geben soll, müssen die Verbraucher über eine gewisse Kaufkraft verfügen. Ausserdem spielen zeitliche Aspekte eine Rolle. Die Landschaftsbauer und ihre Kundschaft, wie beispielsweise städtische Grünflächenabteilungen, wollen rasch auf den Zug der Artenvielfalt aufspringen. Doch die Baumschulen benötigen mehrere Jahre Vorlaufzeit. Denn die Pflanzen müssen erst heranwachsen, bevor sie vermarktet werden können. Die Verflechtung der verschiedenen Etappen der Wertschöpfungskette führt also zu Einschränkungen. Es sind auch paradoxe Verhaltensweisen zu beobachten. Einige Kunden wollen so dringend alles richtig machen, dass sie lieber heimische Pflanzen im Ausland kaufen, anstatt mit regionalen Anbietern Übergangsfristen auszuhandeln. Denn diese benötigen Zeit, um ihre Produktion umzustellen. Und da es sich um Zierpflanzen handelt, haben es die Produzenten oft schwer, ihr Sortiment zu ändern und heimische Pflanzen zu integrieren. Denn ihr Sortiment muss den Wünschen oder Gewohnheiten der Verbraucher entsprechen. Wir bei JardinSuisse bleiben daher pragmatisch und sind der Auffassung, dass einige Neophyten, sofern sie keine invasiven Arten sind, durchaus einen Garten verschönern können.
Kommen diese Verfahren in der Praxis also gar nicht zum Einsatz?
Wir führen hierüber keine exakten Statistiken. Wir wissen aber, dass die meisten unserer Mitglieder ein oder zwei dieser Verfahren anwenden. Daher bemüht sich JardinSuisse derzeit darum, sie besser zu unterstützen und den Erfahrungsaustausch zu fördern. So wollen wir erreichen, dass immer mehr Akteure all diese Verfahren nebeneinander anwenden.
Wie lässt sich das konkret gestalten?
Schulungen sind hier ein ideales Instrument. Wir entwickeln ein neues Modul der höheren Berufsbildung, mit dessen Abschluss das Zertifikat «Fachperson Biodiversität» erworben werden kann. Sowohl bei der Planung als auch bei der Produktion soll uns die biologische Vielfalt dabei unterstützen, die Einträge zu verringern, die Bewässerung zu reduzieren und Chemikalien einzusparen. Derzeit kann dieses Modul in unserem Bildungszentrum in Zürich absolviert werden. Künftig wird dies auch in Freiburg und Bern möglich sein. Anschliessend soll es schweizweit angeboten werden.
Sehen Sie Bedarf?
Ja, Landschafts- und Städtebauer stellen fest, dass sich die Kundschaft mehr Begrünung wünscht. Innerhalb der Branche besteht folglich der Wunsch, diese Leistungen anbieten zu können. Unsere Mitglieder fragen regelmässig bei geschulten Planern und Teamleitern an, um diese Mechanismen besser zu verstehen und um vor Ort die spezifischen Pflanzen zu den spezifischen Vorschriften einzusetzen. Jeder Garten- oder Landschaftsbauer kennt die heimischen Pflanzen oder kann interessante Lebensräume für Reptilien erkennen. Aber mithilfe einer speziellen Schulung lassen sich diese Faktoren nachhaltig miteinander verbinden. Wir wurden auch schon gebeten, für die ganze Schweiz ein Verzeichnis mit den Standorten der Fachpersonen für Biodiversität zu erstellen. Das wird unser nächstes Projekt sein.